Luiza wirft mir in der ihr eigenen Emotionalität und Begeisterungsfähigkeit des Öfteren einen Satz um die Ohren, der mich nachdenklich macht.
„Olaf, das ist unglaublich! Du hast ein Talent, die Essenz der Dinge/Menschen wiederzugeben!“
Im Januar 2007 war ich mit dem Laufteam im Trainingslager in Portugal. Es würde zu weit führen, die Begegnungen zu schildern, die aus den 10 Tagen ein intensives Erlebnis machten. Ich las damals im Hotel und im Flieger den „Nachtzug nach Lissabon“. Schwierig zu lesen durch die seitenlangen Einschübe mit philosophischen Betrachtungen. Nun, der Autor ist ja auch ein Philosoph.
„Die Ferne zu den Anderen, in die uns dieses Bewusstsein rückt, wird noch einmal größer, wenn uns klar wird, dass unsere äußere Gestalt den Anderen nicht so erscheint wie den eigenen Augen. Menschen sieht man nicht wie Häuser, Bäume und Sterne.
Man sieht sie in der Erwartung, ihnen auf bestimmte Weise begegnen zu können und sie dadurch zu einem Stück des eigenen Inneren zu machen. Die Einbildungskraft schneidet sie zurecht, damit sie zu den eigenen Wünschen und Hoffnungen passen, aber auch so, dass sich an ihnen die eigenen Ängste und Vorurteile bestätigen können.
Wir gelangen nicht einmal sicher und unvoreingenommen bis zu den äußeren Konturen eines Anderen. Unterwegs wird der Blick abgelenkt und getrübt von all den Wünschen und Phantasmen, die uns zu dem besonderen, unverwechselbaren Menschen machen, der wir sind. Selbst die Außenwelt einer Innenwelt ist noch ein Stück unserer Innenwelt, ganz zu schweigen von den Gedanken, die wir uns über die fremde Innenwelt machen und die so unsicher und ungefestigt sind, dass sie mehr über uns selbst als über den Anderen aussagen.“ (Pascal Mercier alias Peter Bieri)
„Ich denke, dass ein Künstler sein Modell weder sehen noch kennen muss. Ein Porträt sollte ihre Seele, ihr Wesen oder ihren Charakter nicht ausdrücken. Und der Künstler sollte darin keine eigene, besondere Wahrnehmung des Modells zeigen … “ (Gerhard Richter)
Im ersten Moment widersprechen sich die Zitate vielleicht. Man kann Richters Sichtweise als Misstrauen gegen alles Visuelle deuten, was über uns hinweg flutet. Kann man den Bildern noch trauen? Aber was wird bezweckt mit den Manipulationen, die durch KI heute kinderleicht zu bewerkstelligen ist? Man will den Betrachter beeinflussen, schon klar.
Was kann Kunst dann noch leisten? Ist ein Bild dann gut, wenn es nichts Spezifisches zeigt, was dem Betrachter in seinem Streben nach Erkenntnis und Verständnis fängt? Wenn es Deutungen zulässt und alles Plakative vermeidet?
Am Ende ist es wohl so. Bestenfalls löst es etwas aus und führt zu Kommunikation. Ob es die Essenz darstellt? Vielleicht die eigene Essenz. Ansonsten würde es bedeuten, dass es auch sehr schmerzhaft werden könnte. Wer möchte schon in all seinen Widersprüchen, seiner Seele „erkannt“ werden?
Wir neigen dazu, eine „äußere Glasscheibe“ einzuziehen, die allzu tiefe Einblicke verhindert und dem Gegenüber eine kuriose Mischung aus schemenhaften „Selbst“ und Spiegelungen zeigt.
Ich merke gerade, das müsste man mal malen..